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4. Muskeln und Motoren

Bei Mühlen denkt man zuerst an wind- oder wasserbetriebene Anlagen. Darüber hinaus gab es allerdings noch weitere Energieformen: nämlich die Muskelkraft von Menschen und Tieren sowie Motorantriebe.

Eine nachgebaute Römische Handmühle (mola manualis) eignet sich hervorragend zur Darstellung des Mahlvorgangs mit großen Mahlsteinen. Die Funktionsweise ist vergleichbar und durch Abnahme des Läufersteins kann man die auf der Unterseite beider Steine eingearbeiteten Rillen (Mahlfurchen oder Schärfen) sehen.

In Europa wurde dieser Handmühlentyp bereits 200 Jahre vor Christus zum Mahlen von Getreide verwendet. Die römischen Legionäre hatten die Handmühle auf ihren Feldzügen im Gepäck, um damit ihre Mahlzeiten vorzubereiten.

 

Die Kinder sind von der Handmühle und dem Mahlen des Getreides begeistert und können sich sehr lange mit der Mühle beschäftigen.

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Gemeinhin gelten Wind- und Wasserkraft als die beiden Hauptantriebsarten von Mühlen. Häufig wird außer Acht gelassen, dass es darüber hinaus im vorindustriellen Zeitalter noch eine dritte Energieform gab: Muskelkraft. Tiere, meistens Pferde, trieben sogenannte Göpel an. Dabei versteht man unter einem Göpel eine Apparatur, die Bewegungs- in Antriebsenergie umsetzt.

 

Auf diese Weise konnten die Huftiere zum Beispiel Mahlanlagen, Dresch- und Häckselmaschinen oder Flachsstampfen in Gang setzen. Einerseits befanden sich Göpel auf vielen landwirtschaftlichen Höfen, um kleinere Mühlen oder andere Gerätschaften anzutreiben. Andererseits lassen sich Göpelanlagen häufig in der Nähe von Windmühlen entdecken. Bei Windstille griffen die Müller auf die Pferdestärke zurück, um ihr Handwerk trotzdem ausführen zu können.

Die Huftiere gaben den Göpelanlagen auch ihren Namen: Mitunter spricht man nämlich von „Rossmühlen“. Diese waren entweder so konstruiert, dass die Pferde im Innern eines Gebäudes ihre Runden drehten, oder aber die Tiere bewegten sich um das Bauwerk herum; lediglich die Technik befand sich bei dieser Variante unter Dach und Fach.

Übrigens existierten mancherorts sogenannte „Hundegöpel“. Im Museumsdorf Cloppenburg ist beispielsweise auf der Hofanlage Quatmann ein Butterstoßfass zu bestaunen, das von einem Hund angetrieben wurde. In einer etwas anderen Ausführungsart gibt es dort auf dem Hof Wehlburg ein weiteres hundebetriebenes Butterfass – Fachleute sprechen von einem „Rollbandgöpel“. Dabei marschiert der Hund auf einem schräg angeordneten Laufband, an das in diesem Fall ein Schlagbutterfass angeschlossen ist. Auch im LVR-Freilichtmuseum Kommern in der Eifel ist eine ähnliche Konstruktion zu entdecken. Hier treibt die Hundetretmühle ein Schlagbutterfass an. Erstmals berichten Zeitgenossen von derartigen Treträdern oder Hundegöpeln in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Ihren Ursprung hatte diese Innovation in den Niederlanden, wo die Milchwirtschaft und folglich die Produktion von Butter eine lange Tradition besaß. Ausgehend von den Niederlanden verbreitete sich die Erfindung dann zunächst im Norden Deutschlands, ehe sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach Westfalen kam.

Bis in das 18. beziehungsweise 19. Jahrhundert hinein dominierten kleine, dezentral gelegene Mühlen die Landschaft. Das änderte sich mit den bahnbrechenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umwälzungen jener Zeit: Die Industrialisierung bewirkte technische Innovationen und schuf ganz neue Formen der gewerblichen Produktion. Dieser Prozess ließ auch das Mühlenwesen nicht unberührt. An die Stelle von Wind-, Wasser- oder Tierkraft traten allmählich Dampfmaschinen. Später wurden die Dampfmaschinen durch Diesel- oder Elektromotoren abgelöst. Diese hatten gegenüber Wind und Wasser den Vorteil, dass man unabhängiger von Umwelteinflüssen wurde. Zudem waren die Müller nicht mehr darauf angewiesen, an einem Bachlauf oder einer anderen günstigen Stelle ihr Gewerbe zu betreiben.

Es entstanden Mühlengroßbetriebe. Außerdem hielten auf den Bauernhöfen motorbetriebene Kleinmühlen Einzug. Das Futter für die Viehfütterung schroteten die Landwirte seither auf den Höfen selbst. Letztlich führte diese Entwicklung zu einer existenziellen Bedrohung für die herkömmlich betriebenen Mühlen. Zahlreiche Anlagen schlossen daraufhin spätestens in den 1950er- und 1960er-Jahren ihre Türen. Dieses Ergebnis des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels wird als „Mühlensterben“ bezeichnet.

Bei vielen zu Museumszwecken sanierten Mühlen lässt sich der technische Wandel und der Einsatz von Motorenkraft kaum mehr nachvollziehen. Denn bei der Restaurierung stand häufig ein angeblicher Urzustand als Ideal im Mittelpunkt. Das ist bedauerlich, weil dadurch viele Zeugnisse des industriellen Fortschritts verschwanden. Dabei handelt es sich bei Motormühlen um ein spannendes Forschungsfeld – beinahe in jeder Region haben sich Spuren solcher Mühlentypen erhalten. Es wäre sehr lohnenswert, sich auf die Suche nach ehemaligen Produktionsstandorten von motorbetriebenen Anlagen zu machen. Im „Mühlenkreis“ Minden-Lübbecke ist etwa die Firma Adolf Baumgarten Mühlen- und Speicherbau aus Porta Westfalica zu nennen, die unter anderem Walzenstühle, Plansichter und Silos herstellte. Die Firma Blase Mühlen- und Maschinenbau aus Bünde-Habighorst (heute Kreis Herford) fertigte neben Hammermühlen zum Beispiel Wurfsichter.

Auch auf Bauernhöfen finden sich vielfach noch motorbetriebene Kleinmühlen zum Schroten des Viehfutters. Eine dieser Schrotmühlen lässt sich heutzutage beispielsweise in der Gutswassermühle in Preußisch Oldendorf-Bad Holzhausen besichtigen. Es handelt sich um eine elektrisch angetriebene Variante. Eine Spurensuche belegt die Geschichte hinter diesem Objekt: Das Gerät wurde gebaut von der 1835 gegründeten Maschinenfabrik Cramer aus dem ostfriesischen Leer. Schon 1930 erhielt die Maschine den ersten Preis und somit die „Große silberne Preismünze“ bei der Hauptprüfung für Schrotmühlen. Das in der Gutswassermühle Bad Holzhausen ausgestellte Exemplar muss jedoch nach 1937 gebaut worden sein, wie ein Aufkleber beweist. Stolz wirbt die Maschinenfabrik Cramer nämlich damit, dass die Schrotmühle zwischen 1931 und 1937 bei Ausstellungen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft sowie des Reichsnährstandes fünfmal prämiert worden sei. Der Begriff „Reichsnährstand“ lässt aufhorchen. Er verweist auf die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft zwischen 1933 und 1945. Der Reichsnährstand war eine NS-Organisation zur Organisation der Agrarpolitik und -wirtschaft. Damals unterstand das Mühlenwesen einer strengen Kontrolle. Das nationalsozialistische Regime wollte zu einer rein innerdeutschen Versorgung und Ernährung der deutschen Bevölkerung gelangen. Zudem dienten die Bestimmungen der Kriegsvorbereitung.

Die elektrisch betriebene Schrotmühle in der Gutswassermühle Bad Holzhausen erzählt also in gleich mehrfacher Sicht Geschichte: Sie berichtet von der Technisierung der Landwirtschaft, dem Einsatz von Motorenkraft und dem damit einhergehenden Wandel des Mühlenwesens sowie der Agrarpolitik des NS-Terrorstaates.